Ein paar Worte über Bisexualität

Ein paar Worte über Bisexualität …

„Ich finde, sich zwischen Männern und Frauen zu entscheiden ist wie sich zwischen Kuchen und Eis zu entscheiden. Ich wäre doch blöd, nicht von beidem zu naschen, wo es doch so viele verschiedene Sorten gibt.” (Björk)

LIEBE KENNT KEIN GESCHLECHT

Oft wird uns das Gefühl vermittelt, wir müssten uns zwischen Homo- und Heterosexualität entscheiden. Aber so einfach ist das eben nicht! Für einige von uns spielt das Geschlecht unseres Gegenübers gar keine Rolle, weil wir nur den Menschen an sich sehen. Für andere macht das Geschlecht einen großen Teil der Anziehungskraft aus. So oder so – hier sind ein paar Tipps für bisexuelle Menschen (Bis) in einer homo- und heterogeprägten Gesellschaft.

Bisexualität ist nicht kompliziert oder schwer zu verstehen, aber andere Leute sind es manchmal.

In einer Welt, in der es im Supermarkt um die Ecke 30 verschiedene Kaffeesorten gibt, scheint es oft, als hätte man in punkto Sexualität nur zwei Möglichkeiten – mit dieser Vorstellung wollen wir aufräumen!

SPRACHE

Wir sprechen hier wir übers Bi(sexuell)-Sein und über Bisexualität. In Wörterbüchern findet man als Definition so etwas wie:

„bisexuell: (Adj.) sexuell und/oder emotional an mehr als einem Geschlecht interessiert.“

Bi heißt aber nicht, dass es sich auf nur zwei Geschlechter beschränkt, männlich wie weiblich. Der Begriff umfasst auch trans- und intergeschlechtliche Menschen oder Menschen die sich nicht für ein Geschlecht entscheiden wollen, sondern sich als genderqueer verorten. Bi steht nicht für zwei, sondern für zwei und mehr, also mindestens zwei Geschlechter.

Einige von uns möchten sich und ihre Sexualität nicht in eine vorgefertigte Schublade stecken, obwohl sie zu dieser Gruppe gehören, oder nennen sich lieber queer, pansexuell, nicht monosexuell oder omnisexuell. Das bedeutet im Prinzip das Gleiche, unterstreicht aber, dass diese Menschen sich von einem breiten Spektrum an Gender-Identitäten angezogen fühlen, weil sie das Geschlecht eines Menschen ähnlich wie auf der Kinsey-Skala verorten. Manche möchten damit auch besonders betonen, dass andere Aspekte eine größere Rolle spielen, wie Aussehen oder Persönlichkeit.

Das ist natürlich völlig legitim, aber wir verwenden hier der Einfachheit halber die bekannteren “Bi”-Begriffe.

„Ich verliebe mich in einen Menschen, nicht in Geschlechterrollen.”

 COMING – OUT

Den Leuten zu sagen, dass man bi ist, kann einem wie ein großer Schritt vorkommen, aber danach fühlt man sich mit seiner Sexualität oft wohler und hat nicht mehr das Gefühl, sich zu verstecken.

Aber musst du dich outen? Und wenn ja, wem gegenüber, und wie?

Die erste Person, der gegenüber du dich outen solltest, und vielleicht sogar die einzige, bei der das wirklich notwendig ist, bist du selbst. Sich über seine Sexualität klar zu werden, anzunehmen, wer man ist und von wem man sich angezogen fühlt, kann sehr aufschlussreich sein! Vielleicht hast du das Gefühl, als würde dir eine Last von den Schultern fallen. Nimm dir Zeit, schau dir deine Gefühle genau an und finde heraus, was für dich stimmig ist. Sobald du das getan und entschieden hast, dass du dich auch anderen gegenüber öffnen möchtest, solltest du den richtigen Moment finden. Niemand zwingt dich, es gleich am nächsten Tag zu tun! Für manche Menschen ist es auch einfacher, sich als bisexuell zu erkennen zu geben, wenn sie vorher eine bisexuelle Veranstaltung besucht und von anderen gehört haben, wie ihre Erlebnisse waren.

Die Art und Weise, wie man es macht, ist auch sehr wichtig: Wenn du mit ernster Miene anfängst, “Ich muss euch etwas sagen, vielleicht solltet ihr euch besser setzen”, werden die Leute denken, dass es etwas Furchtbares ist, und die Stimmung kann kippen. Wir raten dir deshalb, deine Sexualität nicht wie ein großes Unheil zu verkünden, sondern sie lieber beiläufig zu erwähnen, wenn die andere Person gerade entspannt und gut gelaunt ist.

Manche Menschen werden möglicherweise nicht verstehen, warum du ihnen das überhaupt sagst, oder würden am liebsten gar nicht über Sexualität reden. Vielleicht kannst du, statt tief Luft zu holen und zu sagen, “Ich bin bisexuell”, stattdessen einfach die Bemerkung fallen lassen, dass du zu einer bisexuellen Veranstaltung gehst, oder dass ein Star, der/die sich als bisexuell geoutet hat, etwas in dir berührt hat. Wenn du locker und sachlich mit deiner Sexualität umgehst und kein großes Ding daraus machst, kann es gut sein, dass du dich einigen Leuten gegenüber noch nicht einmal selbst outen musst – es wird sich einfach herumsprechen. Mit deiner Sexualität im Einklang zu leben, wird die Leute beruhigen, und viele werden wahrscheinlich gar nicht das Bedürfnis haben, mit dir darüber zu sprechen.

Übrigens musst du dich auch gar nicht allen gegenüber outen – viele erzählen es nicht all ihren Verwandten oder Kolleg_Innen. Wem du es sagst, ist ganz allein deine Entscheidung! Wenn du dich Personen gegenüber outen möchtest, von denen du finanziell abhängig bist (z.B. dem Chef oder deinen Eltern), und wenn du glaubst, dass sie homo- oder biphob sein könnten, überleg dir bitte genau, wie du es tust und ob es wirklich der richtige Zeitpunkt ist. Letzten Endes bist du der einzige Mensch, der entscheiden kann, was richtig für dich ist; es geht um dich, deine Geschichte und dein Leben. Auch dein/e Partner/in hat vielleicht schon was gemerkt – aber warte einen guten Moment ab, um es ihm/ihr zu sagen (also nicht unbedingt im Auto oder unterm Weihnachtsbaum)!

PARTNER_INNEN / FREUND_INNEN ODER VERBÜNDETE

Wahrscheinlich sind nicht alle, die dieses Faltblatt in die Hand nehmen, selbst bi. Vielleicht bist du eine Partner_In, Freund_In oder Familienmitglied und willst mehr erfahren, helfen oder verstehen. Ein paar Ideen:

Akzeptiere uns. Widerspreche allen, die versuchen, dir oder uns zu erzählen, dass wir eigentlich hetero- oder homosexuell sind. Wir wissen am besten, was in uns vorgeht und von wem wir uns angezogen fühlen! Wer wir jetzt sind, ist “echt”, egal ob wir uns schon immer als bi definiert haben oder in der Vergangenheit schwul, lesbisch oder heterosexuell gelebt haben.

Bekämpfe Biphobie – sowohl hetero- als auch homosexuellen Menschen und manchmal sogar uns selbst gegenüber. Viele von uns sind unser ganzes Leben lang mit Vorurteilen konfrontiert worden und haben diese so internalisiert, dass wir hart daran arbeiten müssen, sie wieder loszuwerden.

Bekämpfe auch Homophobie. Uns tut sie genauso weh – unsere Beziehungen mit Menschen gleichen Geschlechts sind genauso viel wert wie die mit einem anderen Geschlecht!

Hilf uns, andere Bisexuelle zu finden, wenn wir uns isoliert und alleine fühlen.

Schere uns nicht alle über einen Kamm. Manche von uns sind monogam, andere möchten lieber Single sein, und wieder andere öffnen sich vielleicht mehr als einer Partner_In.

TREUE

Einer der hartnäckigsten Mythen in Bezug auf Bisexualität ist, dass wir “von beiden eins” bräuchten. So ein Quatsch! Für manche mag es sich tatsächlich richtig anfühlen, mehr als eine Partner_In zu haben, aber das gilt für homo- und heterosexuelle Menschen ebenfalls.

Und jemand in einer bereits bestehenden Beziehung, der oder die feststellt, dass er/sie bi ist, möchte vielleicht seine oder ihre Gefühle erforschen und auch darüber sprechen. Dies ist aber in einer monogamen, treuen Beziehung durchaus möglich. Hier kann es helfen, Bi-Gruppen oder Foren zu finden, wo man mit anderen Menschen darüber sprechen kann, wie so etwas klappt.

“Für mich war die Fluktuation meiner Sexualität am Anfang schwierig – manchmal habe ich mir gewünscht, ich könnte mich einfach für das Eine oder Andere entscheidenden und Schluss. Seit ich akzeptiert habe, dass das zu meinem Bi-Sein dazugehört, ist es überhaupt kein Problem mehr. Sich outen ist auch nicht so leicht – am schwersten finde ich es bei Menschen, die mir wichtig sind, obwohl ich noch nie eine wirklich schlimme Reaktion erlebt habe. Am blödesten hat noch meine Mutter reagiert, die tatsächlich meinte, das wäre nur eine Phase. Das denkt sie heute, zehn Jahre später, sicher immer noch! Ich LIEBE es, bi zu sein, und würde es gegen nichts eintauschen, weil es für mich einfach Sinn macht – es passt zu meiner Art zu denken und auch zu anderen Bereichen meines Lebens.”

DU BIST NICHT ALLEIN

Es gibt viele Treffpunkte für queere Menschen, und besonders in größeren Städten wie Berlin findet man nicht nur Coming-Out-Gruppen und Gesprächskreise zum Thema Sexualität, sondern auch alle möglichen anderen Angebote wie Musik- und Sportprogramme. Immer mehr dieser Gruppen nehmen auch gerne Bi-Mitglieder auf, während einige wenige damit womöglich ein Problem haben. Normalerweise ist es am besten, einfach hinzugehen und es herauszufinden.

In Punkto Sichtbarkeit von Bisexualität und Homosexualität hat sich in den letzten Jahren viel getan. Es gibt lesbische und schwule Stars, TV-Charaktere und selbst Politiker. Die Zahl der offen bi lebenden Menschen nimmt ebenfalls zu, aber nicht ganz so schnell.