Pressemitteilung
Berlin, 12.09.2025
Neue Befragung der Fachstelle Bi+ zeigt: Die bi- und pansexuelle Community in Berlin steht vor komplexen Herausforderungen – und braucht mehr Unterstützung, Räume und Angebote
Zum Bi+ Visibility Month 2025 veröffentlicht BiBerlin e. V. die Ergebnisse einer qualitativen Befragung, die im Rahmen des Projekts Fachstelle Bi+ bei der unabhängigen Forschungs- und Beratungsorganisation EAF Berlin in Auftrag gegeben wurde. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Bi+ Menschen erleben spezifische Ausschlüsse und Diskriminierungen und haben vielseitige Bedarfe, die von Politik, Verwaltung und Fachpraxis noch immer vernachlässigt werden.
Bi+ ist ein Überbegriff für Menschen, die mehr als ein Geschlecht begehren und sich beispielsweise als bisexuell, fluid oder panromantisch identifizieren. Laut unterschiedlichen Studien bilden Bi+ Personen die größte queere Gruppe innerhalb der LGBTIQA*-Community – und zugleich eine der unsichtbarsten.
Um die spezifischen Herausforderungen der Bi+ Community zu erfassen und sichtbar zu machen, wurden für die Befragung 21 Einzelinterviews und zusätzlich vier moderierte Fokusgruppen-Diskussionen durchgeführt.
Befragt wurden Bi+ Personen und Angehörige unterschiedlicher Altersgruppen, Gender und Lebenssituationen – darunter Menschen mit Be_hinderung, Neurodivergenz, mit Migrationsgeschichte oder solche mit Kindern. Die Ergebnisse verdeutlichen, wie vielfältig die Bi+ Community ist und dass es passgenaue Peer-Angebote braucht, doch damit diese nachhaltig wirken können, braucht es den politischen Willen zum Ausbau des Projekts Fachstelle Bi+ und einer langfristigen Förderung. BiBerlin e.V., als Träger des Projekts, ist die einzige Interessenvertretung der Bi+ Community in Berlin.
Zentrale Ergebnisse der Befragung
1. Herausforderndes
Das Coming-out gestaltet sich für viele Bi+ Personen auf unterschiedliche Weise herausfordernd und ist oft ein lebenslanger Prozess. Besonders im familiären Umfeld, in Beziehungen – auch in Verbindung mit der Infragestellung normativer Beziehungsformen – sowie im Beruf treten Belastungen auf.
Hinzu kommen weit verbreitete Erfahrungen von Diskriminierung, Bi-Erasure und Bi+ Feindlichkeit, selbst innerhalb der queeren Community. Viele Bi+ Personen kämpfen zudem mit Unsichtbarkeit und verinnerlichter bi+ feindlicher Stereotype, die sich negativ auf ihre mentale Gesundheit auswirken.
Spezifische Ausgrenzungserfahrungen betreffen darüber hinaus insbesondere Bi+ Personen of Color, trans*, inter* und nicht-binäre (TIN*) Personen sowie neurodivergente Menschen oder Bi+ Personen mit chronischen Erkrankungen.
2. Bestärkendes
Viele Befragte erleben ihr Bi+-Sein als befreiend und empowernd. Die Zugehörigkeit zur Bi+/queeren Community wird dabei als stärkend empfunden und geht oft mit mehr Pride, Authentizität und Selbstbestätigung einher. Für viele bedeutet die Bi+ Identität zugleich ein Aufbrechen von Normen und Rollenbildern. Nicht selten leben Bi+ Personen alternative Beziehungsmodelle, die über heteronormative Vorstellungen hinausgehen.
3. Bedarfe & Unterstützungsstrategien
Eine wichtige Ressource für viele Bi+ Personen ist der informelle Austausch mit Partner*innen, Freund*innen und Peer-Gruppen. Bestehende Community-Treffen werden gern genutzt, sind jedoch oft nicht ausreichend bekannt. Auch Therapie- und Beratungsangebote spielen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung von Diskriminierungserfahrungen und Unsicherheit. Diese können jedoch gleichzeitig Diskriminierung und Stereotype reproduzieren – deshalb sind mehr bi+-sensibel und intersektional ausgerichtete Therapie- und Beratungsangebote dringend nötig.
Bücher, Podcasts und Social Media dienen vielen als zentrale Informationsquellen zu Bi+ Themen und stärken das Gefühl von Zugehörigkeit. Besonders deutlich wird zudem der Bedarf an weiteren sicheren Räumen für Austausch und Begegnung – auch für spezifische Zielgruppen wie Jüngere, Ältere, männlich gelesene Personen oder Angehörige von Bi+ Menschen. Darüber hinaus sind Angebote mit unterschiedlichen thematischen Schwerpunkten oder inhaltlichen Impulsen gefragt.
4. Identität und Labels
Das Bewusstsein für das eigene Bi+-Sein sowie dessen Anerkennung und Ausleben entwickeln sich bei vielen Menschen oft erst im Laufe des Lebens. Je nach Kontext nutzen Bi+ Personen unterschiedliche Begriffe wie „queer“, „bi“ oder „pan“: Manche wählen oder vermeiden Labels strategisch, um Ablehnung und Stereotype zu umgehen, während andere bewusst den Begriff „bi+“ für sich nutzen, um Anerkennung und Repräsentation zu stärken.
Bi+ Sichtbarkeit stärken – Strukturen und Räume schaffen!
„Die Befragung zeigt eindrücklich, dass Bi+ Menschen in Berlin sehr unterschiedliche Lebensrealitäten haben – und dennoch ähnliche Probleme teilen: Unsichtbarkeit, Ausschlüsse und fehlende Schutzräume. Gleichzeitig erleben viele Befragte ihr Bi+ sein als empowernd und bereichernd. Damit diese Potenziale für die Bewältigung von Ausgrenzungserfahrungen gestärkt werden können, braucht es aber gefestigte Strukturen, geschützte Räume und eine klare politische Entscheidung für eine gesicherte Förderung der Fachstelle Bi+, die die steigenden Bedarfe unserer Community wirklich berücksichtigt.“, sagt Dana Wetzel, Projektleitung, Fachstelle Bi+.
Die Befragung verdeutlicht: Die Bi+ Community ist nicht nur die zahlenmäßig größte queere Gruppe in Berlin, sondern zugleich eine sehr vielfältige. Sie bringt spezifische Bedarfe und Herausforderungen mit, die bislang in Politik, Verwaltung und Fachpraxis keine angemessene Beachtung finden.
Damit Bi+ Menschen diskriminierungsfrei und selbstbestimmt leben können, braucht es: gezielte politische Maßnahmen, bi+-sensible Angebote in den Bereichen Beratung, Bildung und Gesundheit sowie eine deutliche Ausweitung von Community-spezifischen Räumen und Ressourcen.
„Wir sind die größte Gruppe innerhalb der queeren Community und mit der Fachstelle Bi+ gibt es in Berlin und Deutschland erstmals ein Projekt, das sich explizit an die Bi+ Community und ihre Angehörigen richtet. In unserer täglichen Arbeit spüren wir, wie groß der Bedarf an sicheren, fachlich qualifizierten Beratungsangeboten mit Peer-Perspektive ist. Unsere Erfahrungen zeigen klar, dass vorhandene Strukturen längst nicht ausreichen, um das Ausmaß an Unsichtbarkeit, Ängsten und Ausschlüssen aufzufangen.“, sagt Carolin Reiß, Projektleitung, Fachstelle Bi+.
Aktuell können BiBerlin e.V. und die Fachstelle Bi+ nur einen Teil dieser Bedarfe decken. Die Befragung zeigt deutlich: Angebote wie die Fachstelle Bi+, als deutschlandweit einzigartige Anlaufstelle, müssen dauerhaft gesichert und die Daseinsfürsorge für Bi+ Menschen muss daher unweigerlich ausgebaut werden.
Über BiBerlin e.V. und die Fachstelle Bi+
BiBerlin e.V. ist die zentrale Anlaufstelle für bi+, bisexuelle, pansexuelle und nicht-monosexuelle und -romantische Menschen in Berlin – sowie für ihre Angehörigen und Fachkräfte. Der Verein setzt sich ein für Sichtbarkeit, Empowerment und gleichberechtigte Teilhabe dieser Community und engagiert sich aktiv gegen Vorurteile und Diskriminierung. Er organisiert kostenfreie Meet-ups, Community-Events, Begegnungsformate und schafft Räume für Austausch und Vernetzung.
Seit 2024 ist BiBerlin e.V. Träger der Fachstelle Bi+, der ersten spezialisierten Einrichtung für Beratungsangebote an Bi+ Personen, Angehörige und Fachkräfte in Berlin. Die Fachstelle bietet psychosoziale Beratung – kostenfrei, diskriminierungssensibel und häufig anonym –, Empowerment-Angebote sowie Schulungen und Sensibilisierung für Verwaltung, Politik und Institutionen. Sie arbeitet intersektional und diskriminierungssensibel, orientiert sich an systemischer Beratung, mit dem Ziel, geschützte Räume zu schaffen und die Selbstwirksamkeit der Ratsuchenden zu stärken. Das Projekt Fachstelle Bi+ wird gefördert durch die Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung.
Pressekontakt:
Fachstelle Bi+
Dana Wetzel (sie/alle Pronomen) & Carolin Reiß (sie/keine)
E-Mail: fachstellebiplus@biberlin.de
BiBerlin e. V.
Stefan Jerichow (er/ihn), Mitglied des Vorstands
E-Mail: presse@biberlin.de
Telefon: 030 – 91 45 74 84
Feurigstraße 54, 10827 Berlin
www.biberlin.de
Weiterführende Informationen & Downloads
- Zitate aus qualitativen Befragung: PDF-Datei zum Download
- Bi+ Glossar: Erklärungen und Definitionen zu zahlreichen Begriffen rund um Bi+
- Downloads: Logo von BiBerlin e.V. und dem Projekt Fachstelle Bi+